Bauernhaustyp
Das mitteldeutsche Ernhaus ist ein Bauernhaustyp, das auch als Wohnstallhaus bezeichnet wird. Hier fand das Leben von Mensch und Tier unter einem Dach statt. Ursprünglich gestaltete sich dies in einem Raum, dem Ern am offenen Feuer. Daraus entwicklete sich über die Zeit das Haus. Im Allgemeinen hat das Haus einen dreizelligen Aufbau. Zentral liegt die Ernzelle mit der Hinterernküche. Von hier aus betritt man das Haus und kommt in den Ern (Flur). Zur einen Seite hin schließt sich die Wohnzelle an und zur anderen Seite die Stallzelle. Die Wohnzelle liegt in Richtung Straße, des giebelständigen Hauses. Das Haus ist ein Fachwerkbau, das aus den in der Umgebung vorkommenden Materialien wie Holz, Feldstein, Sand, Lehm und Reet erbaut wurde. Im Verlaufe der Zeit veränderten sich die Anforderungen an den Platz und deren Aufteilung. Um mehr Wohnraum zu gewinnen setzte man einfach vor dem Straßengiebel einen weiteren Giebel und erhielt somit eine weitere Zelle mit zusätzlichen Kammern. Das Ernhaus verlängerte sich entsprechend. Gleiches erreichte man, in dem das Dach auf der hofabgewandten Seite bis auf Zimmerdeckenhöhe heruntergezogen wurde. Damit verbreiterte sich das Haus auf der gesamten Längsseite und gewann so auch mehr Platz. Die Traufe auf dieser Seite war damit in einer Höhe von ca. 2 m und man konnte stehenden Fußes mit der Hand auf das Dach fassen, während auf der Hofseite die Traufe auf 3,5 m liegt. Hier ist durch oberhalb der eingezogenen Raumdecke liegende Luken der Zugang in den Dachboden möglich. Dieser Raum diente vorzugsweise zur Lagerung von Stroh und Heu. In den Dachboden oberhalb des Wohnbereiches grlangt man über eine Stiege im Ern, die sich unmittelbarer neben der Hauseingangstür befindet.
Ortsgeschichte
Ernhäuser mit einer langen Abseite gibt es in der näheren und weiteren Umgebung nur noch hier in Sieversdorf zu sehen. Charakteristisch ist der unsymmetrische Giebel, der durch das Herunterziehen des Daches bis auf Zimmerdeckenhöhe auf der hofabgewandten Seite entsteht. Dem schnell Vorbeieilenden erschließt sich diese Erkenntnis oft erst auf dem zweiten Blick auf das giebelständige Haus. In der Sieversdorfer Dorfstraße dürften vor 200 Jahren fast alle Bauernghöfte aus diesem Bauernhaustyp bestanden haben. Bei mehreren Bränden in der Mitte des 19. Jahrhunderts sind etliche Häuser ein Opfer der Flammen geworden. Danach wurde anders größer und solider mit Ziegel wieder aufgebaut. Es kam die Zeit, wo aus gebrannten Ziegeln große und repräsentative märkische Bauernhäuser errichtet wurden, die auch den Wohlstand der ansässigen Bauern zeigten. Mitte des 20. Jahrhunderts gab es in der Sieversdorfer Dorfstraße noch 10 Ernhäuser mit langer Abseite. Bis heute haben sich 6 dieser Bauernhäuser erhalten, die nun unter Denkmalschutz stehen. Sie befinden sich verteilt entlang der gesamten Dorfstraße. Erreicht man von der Hauptstraße kommend die Dorfstraße, so erblickt man gleich zum Anfang links und rechts des Straßenzuges ein Ensemble von 3 Ernhäusern. Sie vermitteln noch eine Ahnung, wie es in vergangener Zeit aussah.
Ernhaus Dorfstraße 4
Das Ernhaus in der Dorfstraße 4 ist seit ca. 2005 nicht mehr bewohnt. Ursprünglich gehörte es zu einem Bauerngehöft. Neben dem Ernhaus, das die Wohnräume für den Bauern und den Stall für das Vieh bot, gab es auch noch eine große Scheune im hinteren Teil des Grundstücks, die quer zum Wohnstallhaus stand. Zur Straße hin wurde der Bauernhof mit einem hohen Bretterzaun abgegrenzt. Über einen großen zweiflügligen Torweg gelangte der Bauer mit Pferd und Wagen auf das Gehöft direkt vor die Längsseite des Ernhauses. Daneben befand sich eine kleine Pforte, die Zugang gewährte, wenn der Torweg geschlossen war. Im Stallteil waren die Tiere der Bauernwirtschaft untergebracht. Das waren in der Regel 6 bis 8 Kühe, 4 Schweine, 2 Pferde, oft auch Schafe, dazu noch Hühner und Enten. In der Scheune befand sich auf der Tenne der Dreschkasten. Zur Erntezeit wurde hier das abgeerntete Getreide ausgedroschen. Das Stroh wurde dann auf dem Dachboden des Ernhauses über den Ställen oder in der Scheune eingelagert.
Die Scheune wurde bereits in den 1980ger Jahren abgerissen. Fragmente waren noch bis 2008 zu finden. Mittlerweile ist das gesamte Grundstück eingeebnet und aufgeräumt. Der Stallteil des Ernhauses wurde zurückgebaut. Seit 2015 ist von dem einstigen Wohnstallhaus nur noch der Teil des Wohnhauses vorhanden, der auch unter Denkmalschutz steht.



